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Olexander Scherba (Die Presse)
Veröffentlicht am 01 September 2015 Jahr 22:18

Putins Propaganda ist keine „Meinung“ Die Ukraine hat Werke hetzerischer russischer Autoren verboten – ein Gebot der Stunde in Zeiten des Krieges.

Die Entscheidung der Ukraine, einige russische Autoren von ukrainischen Buchregalen fernzuhalten, wird hierzulande heftig kritisiert. Man sieht darin die Verletzung der Meinungsfreiheit. Allerdings ist Propaganda keine „Meinung“. Propaganda ist, medizinisch ausgedrückt, ein Pathogen, das die schlimmste Krankheit verursacht: den Hass.

Niemand würde ernsthaft bezweifeln, dass die öffentliche Meinung in Russland unter der Kontrolle des Kreml steht. Präsident Wladimir Putin hatte genug Zeit, um politisch konforme Denker, Journalisten, Schriftsteller in führende Stellen zu hieven und die Regimekritiker zu verdrängen – oder gar aus dem Weg zu schaffen. Es entstand eine Konformität ohnegleichen zwischen Machthabern und „Intellektuellen“.

Diese Konformität zeigt sich sehr deutlich in diesen Tagen, da der ukrainische Regisseur Oleg Sentsow von der russischen Justiz zu einer 20-jährigen Haft verurteilt wurde. Weder die ukrainische Staatsangehörigkeit des Angeklagten noch die Tatsache, dass er im Laufe der Untersuchungshaft mehrmals mit einer Plastiktüte gewürgt und mit einem Gummiknüppel geschlagen wurde, noch die Lächerlichkeit der Anklage, die auf schriftlichen Aussagen einer Person basierte, konnte die russische Intelligenzija zu einem Aufschrei bewegen.

 Williges Unwissen

Das ist schlimmer als alles, was wir aus der sowjetischen Zeit kennen. Ich entsinne mich nicht, dass (wenigstens in letzten Jahren der Sowjetunion) ein Dissident zur selben Strafe verurteilt worden wäre wie der Mörder von 77 Menschen, Anders Breivik. Und dennoch – Russland schweigt. Genauso wie viele in Europa.

Wenn die Wahrheit schmerzhaft wird, zieht man gerne Ausreden heran. „Diese Ukrainer, das sind doch Faschisten!?“ Das erinnert entfernt an: „Dieser verschwundene Nachbar von mir, der wollte doch Genosse Stalin stürzen!?“ So versetzt man die Nation in den Zustand des willigen Unwissens – ein ideales Feld für eine ausgeklügelte Propagandamaschine. Die hat Putin zu seinen Diensten. Man spürt diese Maschinerie in der Ukraine sehr wohl – da sie vom russischen Informationsraum weder durch Sprache noch Zensur abgetrennt war.

Bis vor Kurzem konnte man in jeder normalen ukrainischen Buchhandlung die Werke von Aleksandr Dugin kaufen, der die heutigen Ukrainer eine „Degeneriertenrasse“ nennt. Oder jene von Eduard Limonow, dem Gründer der Nationalbolschewisten, deren Mitglieder im Osten der Ukraine kämpfen. Oder die Schriften Aleksandr Prochanows, der die heutige Ukraine als „schwarzes Sperma des Nazismus“ bezeichnet. Hoffentlich verschwinden jetzt diese „Meinungen“ aus der Ukraine.

Dugin, Limonow und Co. sind die heutigen russischen „Opinionmaker“ – vom Staat kultiviert, in der Bevölkerung zelebriert. In einer normalen Realität wären sie bloß schräge Vögel, Freaks – interessant für Psychiater, nicht für Kritiker. Aber es ist Krieg in der Ukraine. Und man hat endlich begriffen: Putins Hasspredigern das Wort zu geben ist gefährlich. Ihre Bücher und Filme in der Ukraine weiterhin verbreiten zu lassen hat mit Meinungsfreiheit nichts zu tun. Und Putin-Freaks den Weg in die Ukraine zu versperren ist schlicht eine Frage des gesunden Menschenverstands.

Es geht hier viel weniger um die Freiheit der Meinung als um die Erwünschtheit der Wahrheit. Die Wahrheit über die Ukraine liegt darin, dass sie von vielen unerwünscht ist. Sie riecht nach Blut, Schweiß und Tod. Die Lüge riecht nach lukrativen Geschäften zwischen Europa und Russland und einer Illusion von Stabilität. Man müsste die Ukraine nur aufopfern... Eine Option, die, Gott sei dank, von der Politik nicht erörtert wird – im Unterschied zu den Stammtischen.

Olexander Scherba ist seit Ende 2014 Botschafter der Ukraine in Österreich.

Die Presse, Олександр Щерба

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