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BOTSCHAFTER OLEXANDER SCHERBA GAB INTERVIEW AN TIROLER TAGESZEITUNG
Veröffentlicht am 03 November 2016 Jahr 12:10

Ukraine-Botschafter: "Verhandeln über verschiedene Dinge"

Der ukrainische Botschafter in Österreich, Olexander Scherba, wirft im Interview mit der TT Russland und den Separatisten zunehmende Aggression vor und sieht die Sanktionen als Mittel, um Moskau einzubremsen.

 

Innsbruck – Im Osten der Ukraine tobt weiterhin ein Krieg zwischen prorussischen Separatisten und Truppen der prowestlichen Regierung in Kiew. Das Friedensabkommen von Minsk will nicht in die Gänge kommen, Verletzungen der Waffenruhe stehen an der Tagesordnung. Laut Schätzungen sollen bisher bereits fast 10.000 Menschen getötet worden sein. Und beide Seite beschuldigen sich gegenseitig, den blutigen Konflikt immer wieder neu zu entfachen. Die Tiroler Tageszeitung sprach mit dem ukrainischen Botschafter in Österreich, Olexander Scherba, als dieser Ende Oktober auf Besuch in Innsbruck war.

Der Friedensprozess im Konfliktgebiet in der Ost­ukraine stockt seit Langem. Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel lud am 19. Oktober Russlands Präsidenten Wladimir Putin sowie die Präsidenten der Ukraine und Frankreichs, Petro Poroschenko und François Hollande, zum Krisengipfel nach Berlin. Dabei gab es offenbar Fortschritte. So soll eine bewaffnete Polizeimission der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) für den Donbass auf den Weg gebracht werden. Und es soll ein Fahrplan für die Umsetzung des Minsker Friedensplans ausgearbeitet werden. Stimmen Sie die Ergebnisse von Berlin zuversichtlich?

Olexander Scherba: Wir sind schon oft mit großen Hoffnungen in Verhandlungen gegangen und wurden dann enttäuscht. Diesmal gingen wir – ehrlich gesagt – mit keinen großen Erwartungen in die Gespräche. Doch es gibt positive Anzeichen. Eine bewaffnete Polizeimission der OSZE im Konfliktgebiet, die auch Stärke zeigen kann, wäre ein wichtiger Schritt in Richtung Frieden. Zuletzt konnten die zivilen Beobachter nicht einmal ukrainischen Verletzten zu Hilfe kommen. Auch das Rote Kreuz soll im Konfliktgebiet helfen können. Wir machen uns große Sorgen um die ukrainischen Geiseln, zu denen niemand durchgelassen wurde. Sind sie am Leben? Sind sie tot? Dutzende ukrainische Mütter quälen sich mit diesen Fragen – und Moskau will ihnen sogar diese Klarheit nicht gönnen.

Es bleiben bei Ihnen also weiterhin Zweifel an den Absichten Russlands.

Scherba: Das Problem ist, obwohl wir am gleichen Verhandlungstisch sitzen, verhandeln wir über verschiedene Dinge. Uns Ukrainern und der EU geht es um Frieden. Den Russen geht es um die Wiederherstellung des Weltmachtstatus. Deshalb wird im russischen Fernsehen immer wieder gefragt, ob man sich nun nicht die ganze Ukraine schnappen sollte. Am 2. September sprach der so genannte Präsident dieser so genannten Republik in Donezk vor laufender Kamera davon, dass er bereit ist, „für den großen Krieg gegen die Ukraine zu beten“. Überlegen Sie sich das nun mal: Der Mann ist so voller Hass, er betet für den Krieg! Wir hätten sogar an seine Unabhängigkeit von Putin geglaubt – wie können wir seinem guten Willen glauben?

Auf der anderen Seite wirft Moskau der Regierung in Kiew vor, die Vereinbarungen von Minsk wie eine Verfassungsänderung für mehr Autonomierechte für die Separatistengebiete und die Abhaltung von Kommunalwahlen nicht umsetzen zu wollen.

Scherba: Es kann nur dann Wahlen in dem Konfliktgebiet geben, wenn es auch Sicherheit für die ukrainischen Vertreter gibt. Ohne Sicherheit ist jede Wahl eine Farce. Wir verlangen die Kontrolle über die Grenze zu Russland. Es kann Wahlen geben, aber gleich darauf müssen wir auch unsere Grenzen wieder kontrollieren können. Das Gesetz über den Sonderstatus für den Donbass wurde in Kiew in erster Lesung verabschiedet. Nun regt sich Widerstand im Parlament, weil wir der anderen Seite nicht trauen können. Wie können wir jemandem trauen, der offen davon spricht, Kiew erobern zu wollen? Dies scheint ihr Ziel zu sein. Unser Ziel: das Blutvergießen zu stoppen und den größten Albtraum in der Geschichte der Ukraine zu beenden.

Wie beurteilen Sie das Verhalten Europas im Ukraine-Konflikt?

Scherba: Europa hat Sanktionen gegen Russland verhängt und hält sich an das Sanktionsregime. Im Sommer gab es Rufe nach einer Lockerung der Sanktionen. Doch gerade jetzt – auch mit Blick auf Syrien – sieht Europa wieder, wie schwierig es ist, mit Moskau zu verhandeln. Nur der Widerstand der Ukraine und die Sanktionen können Russland einbremsen.

Das Bestreben der Regierung in Kiew, der NATO und der EU beizutreten, stößt in Europa auf taube Ohren. Setzen Sie weiter auf dieses Ziel?

Scherba: Uns geht es in erster Linie um die Richtung. Das wird nicht heute oder morgen entschieden. Eines ist jedenfalls klar: Bevor wir als blockfreier Staat angegriffen wurden, sprachen sich nur rund 14 Prozent der Bevölkerung für einen NATO-Beitritt aus. Heute sind es zwischen 50 und 70 Prozent. Dieser fundamentale Denkwandel ist eine Folge der russischen Aggression, mit der sowohl die EU als auch die ukrainischen Politiker rechnen müssen.

Österreich übernimmt kommendes Jahr den OSZE-Vorsitz. Was kann Österreich tun, um den Konflikt in der Ukraine zu entschärfen?

Scherba: Der OSZE-Vorsitz ist eine Chance. Österreich hat als Vermittler einen guten Ruf, sowohl in der Ukraine als auch in Russland. Österreich will den Dialog vorantreiben. Zudem hat man im Konfliktgebiet in der Ukraine humanitäre Spieler aus Österreich wie SOS-Kinderdorf. Es gab von österreichischer Seite bereits einige konkrete Projekte, um den leidgeprüften Menschen aus den Konfliktgebieten zu helfen. So hat die Tiroler Landesregierung Kinder aus dem Kriegsgebiet eingeladen, in Tirol Urlaub zu machen. Andere Bundesländer sind diesem Beispiel 2016 gefolgt. Ich hoffe, im Lichte des OSZE-Vorsitzes werden diese humanitären Bemühungen noch ausgeprägter sein.

Über die Krim wird kaum mehr gesprochen. Glauben Sie, dass die von Russland annektierte Schwarzmeerhalbinsel wieder zur Ukraine zurückkehrt?

Scherba: Es gibt keinen Zweifel daran, dass die Annexion völkerrechtswidrig war. Und die Krim ist ohne die Ukraine nicht überlebensfähig. Dies wird sich in den kommenden Jahren immer mehr herausstellen. Außerdem kann die Welt nicht tatenlos zusehen, wie die Menschenrechte auf der Krim verletzt werden. Sie können mir glauben: Ohne Einvernehmen in puncto Krim wird es keine Normalität zwischen der Ukraine und Russland geben. Der Landraub darf nicht geduldet werden.

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