Das Interview wurde in mehreren österreichischen Zeitungen und online-Medien veröffentlicht.
Die ukrainische Vize-Ministerpräsidentin Iwana Klympusch-Zinzadse steht dem Vorschlag einer Verlagerung der Friedensgespräche nach Wien skeptisch gegenüber. "Ich glaube nicht, dass zusätzliche Gesprächsformate uns mehr Einfluss verschaffen würden", sagte sie am Montag im APA-Interview in Wien. Für eine mögliche UNO-Friedensmission in der Ostukraine formulierte sie Bedingungen.
"Wir versuchen bereits auf vielen Wegen, wie durch das Minsker Abkommen und das Normandie-Format, die russische Aggression zu lösen", kommentierte die Politikerin die Initiative des nun oppositionellen Abgeordneten Sergej Taruta, der 2014 Gouverneur der umkämpften Region Donezk war, Gespräche in der österreichischen Hauptstadt abzuhalten.
Die Vize-Regierungschefin nannte Bedingungen für eine mögliche UNO-Friedensmission in der Ostukraine. So müsse die Mission in der gesamten Kriegszone stationiert sein, auch die russisch-ukrainische Grenze müsse dazugehören. Zudem dürften an der Mission keine Staatsbürger des "Aggressorstaates" Russland teilnehmen. Vor der Stationierung müssten zudem russische Truppen und Waffen aus dem Gebiet vollständig abgezogen werden. "Das sind völlig aufrichtige Forderungen, die auf eine friedliche Lösung abzielen und unserer Bevölkerung ermöglichen, wieder in ihre Heimat zurückzukehren", so Klympusch-Zinzadse.
Die Spitzenpolitikerin erhob auch schwere Vorwürfe gegen Russland, das bewusst westliche Staaten "destabilisiert" und "schwächt". "Russland arbeitet nicht nur mit verschiedenen Parteien zusammen, sondern auch mit Thinktanks, Medien und Unternehmen, um seine manipulative Agenda voranzutreiben", so die ukrainische Politikerin. Viele Europäer hätten vergessen, dass Werte verteidigt werden müssten. "Die Nachlässigkeit Europas hat es Russland ermöglicht, sich überall einzuschalten", betonte sie und begrüßte die Bemühungen des französischen Präsidenten Emmanuel Macron, Europa stärker zu vereinen. "Ich hoffe, dass europäische Institutionen, Politik und Werte sicherstellen, dass die russischen Samen nicht die Union von innen her zerstören", sagte sie.
Auf die Frage nach einem möglichen österreichischen Außenminister aus den Reihen der russlandfreundlichen FPÖ verwies Klimpusch-Zinzadse auf den breiteren historischen Kontext. "Ich erwarte eine objektive und klare Einschätzung dessen, was mittel- und langfristig im Interesse der österreichischen Gesellschaft ist", sagte sie. Dazu gehörten auch die "Regeln und Gesetze, auf denen die gesamte Welt seit dem Zweiten Weltkrieg" basiere. "Ich glaube nicht, dass Österreich mit seiner sensiblen Geschichte Neuregelungen von Landesgrenzen akzeptieren würde", so die Vize-Ministerpräsidentin. Bezüglich der Reise der FPÖ-Funktionäre Hans-Jörg Jenewein und Detlef Wimmer vor zwei Wochen auf die von Russland annektierte Krim verwies die Politikerin auf das ukrainische Einreiseverbot für Personen, die ohne Erlaubnis Kiews die Halbinsel besucht haben.
Für die ukrainische Vize-Regierungschefin hat Russland "kein Interesse", den Konflikt in der Ostukraine zu beenden. "Wir sehen keinen Versuch, die Minsker Beschlüsse umzusetzen oder die humanitäre Situation zu verbessern", betonte Klympusch-Zinzadse und erklärte, dass 2017 bisher mehr Ukrainer bei den Kampfhandlungen mit russischen und pro-russischen Kräften in der Ostukraine getötet worden seien, als im vergangenen Jahr. "Der Konflikt blutet das Land aus", fügte sie hinzu.
Klympusch-Zinzadse hofft daher auf die Beibehaltung der Russland-Sanktionen. "Wir schätzen es sehr, dass die Verantwortung und Solidarität uns gegenüber aufrechterhalten wird", sagte sie. Gleichzeitig forderte sie die EU zu größerem Einsatz auf: "Es stehen der EU Instrumente wie gemeinsame Verteidigungs- und Sicherheitspolitik zur Verfügung, dieser Einfluss könnte zur Friedenssicherung eingesetzt werden", erklärte sie.
Klympusch-Zinzadse verwies zudem darauf, dass die Ukraine "kulturell, geografisch und historisch" immer ein Teil Europas gewesen sei. "Es ist nur eine Frage der Zeit, bis sie ein vollwertiges Mitglied der ökonomischen oder politischen Gemeinschaft Europas wird", sagte sie. Ihrer Ansicht nach würden die Ukrainer im Osten des Landes "die Grenze der Demokratie verteidigen und halten".