Seit 4 Jahren blutet die Ukraine. Seit 4 Jahren ist ein Teil des ukrainischen Territoriums besetzt. Seit 4 Jahren sind russische Staatsbürger, mit russischen Waffen, unter russischen Fahnen auf dem ukrainischen Land – nicht umgekehrt.
Und trotzdem hört man immer wieder: „Die beiden Seiten sind schuld…“, „Wer weiß, was da wirklich vor sich geht…“, „Ich akzeptiere nicht was Putin tut, aber kann seine Gründe nachvollziehen“. Als ob „Nachvollziehen“ und „Akzeptieren“ sich nicht zum Großteil decken würden.
Am vergangenen Sonntag ging dieser Krieg in eine neue Phase. Vier russische Kriegsschiffe jagten ein fünfmal kleineres ukrainisches Schiff in neutralen Gewässern und beschädigen es schwer. Dann sperrte Russland ein ganzes Meer zu. Dann eröffnete Russland Feuer, verwundete 6 Ukrainer und nahm 23 ukrainische Matrosen in Haft. Das alles – in der Nähe der annektierten Krim und der illegal erbauten Krim-Brücke, auf den zertrampelten ukrainisch-russischen Verträgen.
Erneut sprach Russland von einer „ukrainischen Provokation“. Und schon wieder vernahm man das Übliche in westlichen Medien: „Die beiden Seiten sind wahrscheinlich Schuld…“, „Wahrscheinlich hat das mit Präsidentschaftswahlen in der Ukraine zu tun…“.
Liebes Europa! Jeder Diktator, jeder Mörder, jeder Vergewaltiger dieser Welt der sich an die Regeln nicht halten will – hat seine „Gründe“. Die sind natürlich zu beachten – von Historikern, Psychiatern, Kriminalpsychologen, aber nicht von Politikern, deren Aufgabe ist, dafür zu sorgen, dass Regeln eingehalten werden.
Allein der Gedanke, dass sowohl die Ukraine, als auch Russland schuld an dieser jüngsten Gewaltspirale seien, ist beleidigend. Wenn Präsident Putin (rein theoretisch!) Frieden wollte – dann wäre alles was er tun müsste, nur eine Entscheidung, die international anerkannten Grenzen der Ukraine wieder zu respektieren. Dann wäre seine Popularität jedoch im Keller.
Mit der Ukraine ist es anders. Der Frieden hängt nicht von Präsident Poroschenko ab. Es sei denn er gibt für den Frieden ein Teil der ukrainischen Freiheit und des Territoriums auf.
Es gibt keine Gründe, die diese unerhörte Piraterie Russlands im Schwarzen Meer schon wieder „nachvollziehbar“ machen würden. Außer man finde sich mit der Annexion der Krim ab – und mit Russlands Recht, seine direkte Nachbarschaft wie Dreck zu behandeln.
In der Ukraine gewinnt man keine politischen Punkte mit Krieg – denn die Menschen wollen Frieden. Jedoch nicht im Austausch für ihre Freiheit. Und dieser Verzicht, die schwer erkämpfte Freiheit gegen die gemütliche Unfreiheit zu tauschen, ist der Schlüsselpunkt dieses Krieges. Die Ukraine will Frieden – Russland will Großmachtstatus. Da es eine russische Invasion auf dem ukrainischen Territorium ist und nicht anders herum – hat allein Russland die Schlüssel zum Frieden in der Hand. Moskau macht aber klar: der einzige Weg zum Frieden ist ein Tausch. Die Ukraine gibt ihre Freiheit auf (das heißt jegliche Perspektive der europäischen Entwicklung) – und Russland gibt den Frieden her. Da die Ukraine diesen Tausch nicht eingehen will – zieht sich der Krieg in die Jahre.
Es gibt aber auch einen dritten Weg: wenn Europa seine Erstarrung im Angesicht Russlands Chuzpe noch abschüttelt und sich an eine einfache Tatsache erinnert: das Völkerrecht gibt es für alle – oder für niemanden. Und wenn man ein Volk, das Freiheit gewählt hat, im Stich lässt, dann stellt sich dir Frage: ist Freiheit noch von Bedeutung?